Kerstin Haberecht: Alt-Saxophon, Loop-Station
Lukas Roos: Gitarre, Loop-Station
Die Kunst des Duos hat nicht zuletzt im Jazz eine lange Geschichte. Der musikalische Dialog
zweier Musiker*innen verheißt gegenseitige Aufmerksamkeit und spielerisches
Einverständnis, viele Nuancen und hohe Intensität. Von all dem bieten Kerstin Haberecht
und Lukas Roos eine Menge. Auf ihrem ersten gemeinsamen Album Maiden Flight
begeistern die beiden mit melodischen und zurückhaltend abstrahierten Passagen,
atmosphärischer Tiefe und Leichtigkeit, rhythmischer Raffinesse und feinsinnigen
Interaktionen. Am meisten überrascht jedoch ihre Klangvielfalt. Zum einen die ihrer
Instrumente, also Haberechts überwiegend warm timbriertem, eloquentem Alt-Saxophon und
Roos’ variabler E-Gitarre, die zwischen eleganten bis fließenden Jazz-Spielweisen und
modernen, auch mal rockigen Sounds changiert. Die individuelle Klangsprache von Duo
Voltige basiert zum anderen auf dem ausgefuchsten Einsatz zweier Loop-Stations. Deren
pointierte Phrasen und Motive, Muster und Formen bereichern und verdichten die
atmosphärische Musik.
„Nie sind Elektronik oder Virtuosität Selbstzweck, […] sie dienen stets einer musikalischen
Idee“, konstatierte die Badische Zeitung nach einem Konzert im Oktober 2023 und freute
sich, „dass Jazz durchaus jung, frisch und unakademisch daherkommen kann.“ Gekonnt
verbindet Duo Voltige Geschichtsbewusstsein mit einer zeitgemäßen Haltung. Recht
eingängige Melodien bieten immer wieder Anknüpfungspunkte, manche Grooves, ungerade
Metren und überraschende Taktwechsel lassen unwillkürlich mitwippen oder aufmerken. Die
von Haberecht und Roos komponierten und arrangierten Stücke vertonen Erinnerungen an
idyllische Momente am Pariser Seine-Ufer und an bunte Kleinstadt-Stimmungen, ein
tiefliegendes Gefühl der Dankbarkeit, aber auch ambivalente Emotionen während der
Corona-Lockdowns. Aus dem fokussierten Zusammenspiel resultiert eine bemerkenswerte
Intimität. So können die Stücke einen lockenden, dem Publikum zugewandten Charakter
entwickeln, der – wie bereits in der FAZ über Kerstin Haberecht zu lesen war – an die Hand
nimmt, um durch Variationen auch mal in unerwartete Umgebungen zu führen.
Wie häufig bei Debütalben sind die Stücke von Maiden Flight über einen längeren Zeitraum
hinweg entstanden. Manche während der Pandemie, wenige in den letzten Wochen vor dem
Studiotermin. „Anfangs überwogen die getragenen Kompositionen, die wir schließlich um
einige schnellere Titel ergänzt haben“, skizziert Kerstin Haberecht die Entwicklung des
Repertoires. „Im Allgemeinen schreibe ich nicht über ein Thema, sondern habe eine Farbe
oder ein Bild vor Augen, von dem ich ausgehe“, erklärt Lukas Roos seinen Ansatz. Meist
bringen Haberecht und Roos jeweils eigene Entwürfe mit, um diese dann gemeinsam
auszuarbeiten. Für Danse Des Prisonniers hingegen haben sie sich im Proberaum getroffen
und tatsächlich gemeinsam komponiert. „Das war ein perfekter Moment während des
Lockdowns, wir waren zwar in mancher Hinsicht unfrei, hatten aber Spaß in der plötzlich
vorhandenen Zeit“, erinnert sich Haberecht. Womöglich lässt der erste Teil des Stücks
gerade deswegen ein wenig Walzer-Anmutung erkennen
Dank der synchronisierten Loop-Stations können Haberecht und Roos ansonsten drohende
Rollenmuster hinter sich lassen. Der Gitarrist darf mehr als nur begleiten, die Saxophonistin
kann auch während dessen Soli etwas beisteuern. Nebenbei ermöglicht die Technik,
Hörgewohnheiten eines weniger Jazz-affinen Publikums zu treffen, etwa wenn Haberecht auf
dem Saxophon listig Streicher nachahmt. Zuweilen mischen sich die Looper aber auch in die
Entwicklung der Stücke ein. „Technik macht Freude, wenn sie funktioniert – aber weniger,
wenn man zwei Stunden Handbuch studieren muss, um ans Ziel zu kommen“, lacht
Haberecht, „manchmal fühlt es sich an, wie in einem Labor zu sein. Wir haben in den
vergangenen Jahren die Geräte gelernt wie Instrumente. Dabei mussten wir erkennen, dass
die Looper uns einerseits helfen, einen modernen Sound zu kreieren, andererseits aber auch
bestimmte kompositorische Wege erfordern.“